Ophthalmologie

Berührungslose Implantation von Hornhaut

13. September 2021, 9:49 Uhr | DGFG
Mithilfe des Systems Preloaded DMEK Rapid kann menschliches Spendergewebe erstmals berührungslos implantiert werden
© DGFG

Neues System ermöglicht minimal-invasive DMEK-Behandlung

Die Augenhornhaut ist das Fenster zur Welt. Trübt sie sich ein oder wird zerstört, drohen dauerhafte Sehbehinderungen bis hin zur Blindheit. Dann kann nur noch eine Hornhauttransplantation helfen. Früher war nur eine aufwändige Volltransplantation möglich. Doch in den letzten Jahren wurde diese weitgehend von deutlich schonenderen Teiltransplantationen abgelöst. Sogenannte lamelläre, nahtlose Techniken, bei denen nur eine hauchdünne Gewebelamelle verpflanzt wird, sind heute das Nonplusultra. Hier sind die Sehergebnisse besser, der Heilverlauf ist kürzer und die Abstoßungsrate geringer.

Vor allem die DMEK (Deszemetmembran endotheliale Keratoplastik) hat sich innerhalb weniger Jahre zum Goldstandard in der Behandlung von endothelialen Hornhauterkrankungen etabliert (endothelial = die innere Zellschicht betreffend). Die DMEK ist für alle Patienten geeignet, die an einer Augenhornhauterkrankung mit Endothelversagen leiden.

Forschungsstandort Sulzbach als Vorreiter der DMEK

Die Augenklinik Sulzbach hat sich als eine der ersten Kliniken in Europa auf die DMEK spezialisiert. Am Klaus Heimann Eye Research Institute (KHERI) der Augenklinik Sulzbach beschäftigt sich eine Forschergruppe im eigenem Reinraum-Labor mit der Weiterentwicklung dieses noch jungen Verfahrens und hat die Entwicklung der DMEK zu einer standardisierten Operation mitgeprägt:

Heute ist die Klinik eines der führenden Transplantationszentren in Deutschland und führt die DMEK ca. 500-mal im Jahr durch. Die Patienten und Patientinnen kommen aus ganz Deutschland, teilweise aus Europa. In spezialisierten Zentren ist die DMEK-Transplantation ein täglicher Routine-Eingriff geworden.

Doch längst ist diese Methode noch nicht überall verfügbar. Ein neues System soll das nun ändern: Preloaded DMEK Rapid ist das Europaweit erste vorgeladene Transplantationssystem für die minimal-invasive Behandlung der Hornhauttrübung. Ein vorpräpariertes Transplantat ergibt zusammen mit einer patentierten Injektionskartusche ein gebrauchsfertiges System für die minimal-invasive Teiltransplantation der Augenhornhaut.

Herausfordernder Zulassungsprozess 

Preloaded DMEK Rapid wurde am KHERI-Forschungsinstitut der Augenklinik Sulzbach am Knappschaftsklinikum Saar unter der Leitung von Chefarzt Prof. Dr. Peter Szurman in Zusammenarbeit mit dem Medizintechnikunternehmen Geuder und der Deutschen Gesellschaft für Gewebetransplantation (DGFG) entwickelt. Die Spenderhornhaut, realisiert von Koordinatoren der DGFG an 30 Standorten in ganz Deutschland, wird in der Knappschaftsgewebebank Sulzbach und in der Gewebebank der DGFG in Hannover mit einer eigens entwickelten, gewebeschonender Technik präpariert.

Die Genehmigung des Paul-Ehrlich Instituts (PEI) liegt der DGFG bereits vor. Das vorgeladene Transplantationssystem kann ab sofort über die gemeinnützige Gesellschaft bezogen werden. »Die regulatorische Zulassung war eine große Herausforderung«, so Szurman. Denn hierfür gelten sowohl das Arzneimittel- als auch das Medizinproduktegesetz. In Italien und den Niederlanden sei der Zulassungsprozess ebenfalls weit fortgeschritten.

Transplantationschirurgen können sich beim Sulzbacher DMEK-Intensivkurs für den Bezug des Systems schulen und zertifizieren lassen. Die Kombination aus einfacher Anwendung, geprüfter Qualität und Sicherheit soll die stärkere Verbreitung der DMEK-Transplantation ermöglichen, damit in Zukunft mehr Patienten und Patientinnen von dem Verfahren profitieren und ihre volle Sehkraft wiedererlangen können. 

Gewebebanken erhöhen Qualität

Dabei löst das System noch ein weiteres Problem. Denn während die Technik der DMEK-Implantation von erfahrenen Transplantations-Chirurgen und -Chirurginnen zwar rasch erlernt wird, liegt die größte Schwierigkeit in der Präparation der Hornhautlamelle. »Deshalb präparieren immer mehr Transplantationszentren nicht mehr selber im eigenen OP, sondern beziehen über die DGFG fertig vorpräparierte Lamellen (Precut LaMEK) aus spezialisierten Gewebebanken, um die Sicherheit und Qualität der Transplantate zu verbessern«, erklärt Szurman. Der Operateur erhalte ein qualitätskontrolliertes und gebrauchsfertiges Transplantat; es ist keine weitere, zu Zellverlust führende Manipulation am Spendergewebe vor der Transplantation mehr nötig.

Die gesamte Präparation wird unter standardisierten Bedingungen in der Reinraum-Gewebebank Sulzbach durchgeführt. Erst, wenn überprüft wurde, dass die Zellen auch nach der Präparation immer noch in einem guten Zustand sind, wird die Lamelle von der DGFG zur Transplantation abgegeben. Dieser Qualitätsvorteil war bereits der Kerngedanke bei der seit sechs Jahren sehr erfolgreich etablierten LaMEK, dem in der Gewebebank vorpräparierten und fertig zugeschnittenen Gewebe (pre-cut), das die DGFG als einzige Einrichtung in Deutschland mit Genehmigung des Paul-Ehrlich-Instituts seit 2015 für DMEK-OPs erfolgreich mit jährlich steigenden Zahlen vermittelt.

Die an der Augenklinik Sulzbach durchgeführte Zulassungsstudie zur LaMEK konnte zeigen, dass die Sicherheit bei Verwendung von solchen vorpräparierten Lamellen steigt. In Deutschland haben bisher mit Sulzbach und Hannover nur zwei Gewebebanken die Genehmigung durch das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) zur Herstellung und Inverkehrbringung von vorpräparierten Lamellen.

Transport und Injektion sind sicher

Das neue Transplantationssystem stellt nun den nächsten, konsequenten Entwicklungsschritt dar: Hier wird dem Operateur eine bereits vorpräparierte und gebrauchsfertig vorgeladene Lamelle in einem »ready-to-use« System (DMEK-Rapid-Kartusche) bereitgestellt. Das soll die Operationen vorhersehbarer, einfacher, sicherer und schneller zu machen.

Dabei wird die DMEK-Lamelle mit einer speziell entwickelten Technik (Liquid Bubble) in der Gewebebank Sulzbach vorab präpariert, aber zusätzlich noch in ein spezielles Injektorsystem geladen. Die Lamellen kommen bereits in einer Injektorkartusche vorgeladen und gebrauchsfertig an, und ermöglichen dem Operateur eine direkte berührungslose Injektion des Transplantats. Es sind keine weiteren Manipulationsschritte mehr nötig. Die Lamelle wird in einem geschlossenen System angeliefert, was einen großen Qualitätsvorteil mit sich bringt.

Die Zulassungsstudie  konnte zeigen, dass der Transport und die Injektion mit diesem geschlossenen Transplantationssystem sicher sind. Dr. Nicola Hofmann, wissenschaftliche Leiterin bei der DGFG, erwähnt noch einen weiteren Vorteil: »Weitere Studienergebnisse haben gezeigt, dass eine Ruhephase zwischen Präparation der Hornhautlamelle und Transplantation im OP sogar zu höherer Vitalität der Endothelzellen führt.« Somit wäre das Vorpräparieren ebenso wie das Vorladen der Kartusche in der Gewebebank sogar ein weiterer Qualitätsvorteil, weil sich das Präparat in der Zeit bis zur OP etwas erholen kann.

Durch Vorpräparation und Vorladen wird das Risiko einer Fehlpräparation und des Transplantatverlusts drastisch reduziert. Peter Szurman: »Die Sicherheit für die Patienten wird durch unser Transplantationssystem eindeutig erhöht. Neben der Sicherheit spielen hier auch ethische Aspekte eine wichtige Rolle. Jede Fehlpräparation ist ethisch schwer zu vertreten, gerade vor dem Hintergrund der großen Spenderknappheit.«  (me)


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