Not macht erfinderisch

Forscher entwickeln einfaches Beatmungsgerät

30. März 2020, 12:00 Uhr | Philipps-Universität Marburg
Dr. Bastian Leutenecker-Twelsiek und Caroline Sommer diskutieren die neuste Version des Zusatzgeräts für ein CPAP-Gerät.
© Martin Koch

Die Geräte lassen sich schnell und vergleichsweise preisgünstig herstellen

Weltweit gibt es zu wenige hochleistungsfähige Beatmungsgeräte, um gleichzeitig viele schwere COVID-19-Fälle zu versorgen. Auch wenn die Kliniken in Deutschland gut vorbereitet sind, könnte sich ein Engpass ergeben, wenn die jetzt getroffenen Maßnahmen des Bundes und der Länder nicht greifen und es zu einer hohen Zahl von schweren Krankheitsfällen kommt. Das in Marburg entwickelte Gerät kann zur Kompensation fehlender Beatmungsplätze in der Corona-Pandemie eingesetzt werden.

Ein Team aus Forschung und Technik der Philipps-Universität Marburg und des Universitätsklinikums Gießen und Marburg (UKGM) hat angesichts der Befürchtungen, dass die Beatmungskapazitäten in der Corona-Pandemie möglicherweise nicht ausreichen werden, in sehr kurzer Zeit zwei unterschiedliche Konzepte für einfache Beatmungsgeräte entwickelt. Die Geräte können schnell und vergleichsweise preisgünstig hergestellt werden und in Situationen zum Einsatz kommen, in denen in Kliniken nicht mehr ausreichend reguläre Beatmungsplätze zur Verfügung stehen.

Upcycling von CPAP-Geräten

Das erste Konzept basiert auf der Verwendung von sogenannten CPAP (Continuous Positive Airway Pressure)-Geräten. Diese werden zum Beispiel zur Behandlung von Schlafapnoe eingesetzt und sind in vielen privaten Haushalten vorhanden. Die CPAP-Geräte werden so erweitert, dass sie zur künstlichen Beatmung eingesetzt werden können. Erste Prototypen laufen bereits und wurden von Medizinerinnen und Medizinern des Universitätsklinikums Marburg positiv beurteilt. Derzeit wird nach Produktionsmöglichkeiten für die Geräte gesucht.

Die modifizierten CPAP-Geräte sind nicht so leistungsfähig wie professionelle Beatmungsgeräte. Für die Erstversorgung von akuten, schweren COVID 19-Fällen mit starker Atemnot sind sie nicht geeignet. Für solche Fälle müssen klinische Beatmungsgeräte eingesetzt werden. Wenn sich die Patienteninnen und Patienten aber nach ein paar Tagen so weit erholt haben, dass sie weniger intensiv beatmet werden müssen, könnten die modifizierten CPAP-Geräte für die Beatmung zum Einsatz kommen. Dann wären klinische Beatmungsgeräte wieder frei und stünden für die nächsten Personen mit akuten Problemen zur Verfügung.

Ambu Bags als Basis

Für Länder, in denen CPAP-Geräte nicht verbreitet sind, entwickelt das Team derzeit als zweiten Ansatz einfache Geräte auf der Basis von so genannten »Ambu Bags«. Diese werden in der Ersten Hilfe zur Erstversorgung eingesetzt und sind in großer Stückzahl preisgünstig verfügbar. Sie bestehen aus einer Maske, die auf das Gesicht gedrückt wird, und einem komprimierbaren Beutel, der mit der Hand in regelmäßigen Abständen zur Beatmung zusammengedrückt wird. Das Team entwickelt nun mechanische Apparaturen, welche die Beutel periodisch zusammendrücken.

Das Ziel ist es, alle technischen Informationen und Bauanleitungen öffentlich verfügbar zu machen. Damit soll die Möglichkeit geschaffen werden, die Geräte weltweit nachzubauen und in größeren Stückzahlen herzustellen. Derzeit ist das Team auf der Suche nach Räumlichkeiten und finanziellen Mitteln für die Produktion. (me)


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