Highlights der DMEA Berlin 2022

Digitale Gesundheit ganz analog

8. Juni 2022, 11:27 Uhr | Ute Häußler
© Messe Berlin GmbH

Exklusiv aus Heft 3/22: Fünf Highlights, die uns auf der DMEA 2022 begeisterten.

Die DMEA 2022 in Berlin war keine Messe der Neuvorstellungen. Der Branchentreff der digitalen Medizintechnik glänzte mit persönlichen Gesprächen. »Digital Health« ist in den letzten 3 Jahren gereift und hat sich in der Praxis bewährt.

So war Künstliche Intelligenz auf dem Messegelände Berlin Ende April allgegenwärtig. Quasi bei jedem Start-up, jedem Gerätehersteller und jedem Data Analysten steckt KI im Produkt. Die Unterstützung durch Maschine Learning und Big Data hat sich vom »neuen heißen Ding« in die klinische Normalität gewagt.

KI in der Radiologie

Siemens Healtineers stellte auf der DMEA u. a. den AI-Rad Companion vor, der Radiologen, Radioonkologen, Strahlentherapeuten und Medizinphysikern durch die automatisierte Nachbearbeitung von MRT-, CT- und Röntgendatensätzen hilft, Zeit zu sparen und die diagnostische Präzision zu steigern. Die KI ist geräteagnostisch und kommt derzeit schon in vielen Kliniken zum Einsatz. Laut Felix Michelfeit von Siemens Healthineers wurden in den letzten zwei Jahren viele Verbesserungen an der Software vorgenommen, neue Modalitäten und Funktionen hinzugefügt sowie wichtige Schritte Richtung Cloud-Analyse und einer automatischen Bildverarbeitung unternommen. »Der AI-Rad Companion hat sich zum zweiten Leser entwickelt, nach dem Start mit Thorax-CT-Anwendungen konnten wir in weitere Behandlungsbereiche und -arten vordringen.« Der AI-Rad-Companion ist mittlerweile auch in den Varianten Brain MR, Prostate MR, Organs RT und Chest X-ray erhältlich. Dr. med. Martin Reiss-Zimmermann, Radiologe aus Erfurt, der AI-Rad Companion Chest CT in der klinischen Praxis anwendet, sagt: »Inzwischen vertraue ich dem Algorithmus wirklich. Er verleiht mir ein Gefühl zusätzlicher Sicherheit«.

EKG-Messung per Handy

Der Gemeinschaftsstand der Fraunhofer Institute war eine Fundgrube spannender digtal-medizinischer Forschungsprojekte. Marian Haescher vom Fraunhofer IGD aus Rostock arbeitet z. B. daran, die diagnostische Lücke bei Herzkrankheiten zu schließen. Nur 4,8 Prozent aller Aussetzer werden mit einem 24-Stunden-EKG erwischt, selbst bei einem Messzeitraum von sieben Tagen steigt die Trefferquote nur auf 12,5 Prozent. Vom ersten Arztbesuch bis zur finalen Diagnose und Therapie vergehen nicht selten bis zu zehn Jahre. Die App Guardio soll das mit der Nutzung der Bewegungssensoren im Smartphone zur Erfassung von mehrkanaligen EKGs ändern. Ganz ohne Elektroden oder Hautkontakt. Während sich der Patient im Falle einer Rhythmusstörung das Handy ans Herz legt, nimmt die App herzinduzierte Bewegungssignale auf und transformiert diese mit KI-Unterstützung in entsprechende Elektrokardiogramme. Es ist kein Arzt oder kein medizinisches Fachwissen nötig, die Dauer bis zur Diagnose kann deutlich verkürzt werden. Die Technologie ist zum Patent angemeldet, wird mit einer Ausgründung kommerzialisiert und soll in Kürze als DiGA auf den Markt gebracht werden – und wird dann von der Krankenkasse erstattet.

Instagram für die Medizin

Das Start-up Imito hilft Wunden und Heilungsverläufe per Foto-App visuell zu dokumentieren und lässt sich nahtlos in eine digitale Patientenakte integrieren. ImitoWound ist das erste Produkt der Digital-Health-Entwickler und bereits als DSGVO-konformes Medizinprodukt der Klasse 1 zugelassen. Mit der App gelingt die Wund- und Stomadokumentation und eine wissenschaftlich validierte Wundvermessung inkl. Heilungsverlauf unkompliziert über das Smartphone. KI hilft bei der Wundüberwachung. »Mit Imito geht es schnell, Wunden direkt auf Fotos zu vermessen und alle Information direkt über das KIS einzusehen«, so die Pflegeleiterin Inès Clerc Dourthe vom Schweizer Freiburger Spital. Alle Daten werden verschlüsselt übertragen und können parametrisiert in klinische Arbeitsplätze integriert werden, mit einer neuen Scan-Anwendungen können auf die gleiche Art auch Dokumente digitalisiert und analysiert werden – ohne eine spezielle Hardware.

Sprechen statt Schreiben

Bei Nuance geht es um Spracherkennung, auf der DMEA um die Unterstützung von medizinischem Fachpersonal beim Befunddiktat, der Pflegedokumentation, Arztbriefen oder Kommandos wie »Bett verstellen« oder Medikamentenbestellungen. Seit der Übernahme durch Microsoft wird die Klinikunterstützung über eine dezidierte, deutsche Cloud-Infrastruktur groß gedacht. Dr. Markus Vogel, selbst Arzt mit Krankenhauserfahrung, zeigt sich überzeugt, dass eine Revolution passieren kann: »Durch die Cloud-Zentralisation muss die Sprachsoftware nicht mehr neu angelernt werden; sie ist auch für medizinische Fachausdrücke immer aktuell und kann datenschutzkonform sofort zum Einsatz kommen«. Die Nuance-Vision ist eine vernetzte Infrastruktur nach Art von Alexa, Siri und Co. – die das gesamte Krankenhaus und seine angeschlossenen Systeme und Geräte per Sprache steuerbar macht. Mit einem Web-Client, den passenden Lizenzen, einer Mikrofoninfrastruktur und der integrierten Cloud-Anbindung kann quasi jedes System vom PVS, KIS oder Klinikbett mit einem Raspberry Pi und 256-bit-Verschlüsselung ans Internet of Medical Things angeschlossen werden. Neben der Nuance-Semantik fungiert die MS-Azure-Technologie als Basis, welche CRITIS-geeignet, BSI-zertifiziert, regulatorisch zertifizierbar und verschlüsselt arbeitet. Als Mikrofon können neben dezidierter Hardware via Dragon App auch einfache Smartphones dienen, die mit Token und Private sowie Public Keys verifiziert werden.

Adlink kann liefern

Der taiwanische Hersteller Adlink entwickelt und produziert u. a. Embedded-PCs für C-Bögen und andere Medizin­geräte, medizinische All-in-One-PCs und OP-Monitore. Die lüfterlosen, komplett geschlossenen Systeme kommen auf Intensivstationen, bei der Überwachung oder in der OP-Anästhesie zum Einsatz. In Deutschland sitzt Adlink in Deggendorf und bietet zudem Spec-in-Designs für das medizinische Edge Computing über anwendungsspezifische Motherboards, CoMs und SoCs. Aufgrund der aktuellen Lage am Halbleiter- und Komponentenmarkt suchen laut Matthias Lubkowitz viele Kunden nach alternativen Beschaffungswegen oder Designs, ein Medizinkunde habe sogar Waschmaschinen gekauft, um die dort eingesetzten Chips auszulöten. Der Leiter des Business Centers Healthcare fasst zusammen: »Durch unsere Produktion in Shanghai haben wir einen besseren Zugriff auf viele Bauteile und können liefern. Das Thema ist jetzt Abwicklung. Bei vielen Kunden beschäftigen wir uns aktuell mit Re-Spins, um auf die angespannte Marktlage zu reagieren.« (uh)


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