Gedruckte Elektronik

Schnittstelle für Diagnostika und Therapien

16. März 2021, 7:00 Uhr | Messe München
Flexible und gedruckte Elektronik eignet sich ideal für medizinische Monitoring-Systeme
© Northwestern University

Interview mit John A. Rogers von der US-amerikanischen Northwestern University

Leicht, dünn, flexibel und dehnbar: Mit diesen Eigenschaften eignet sich organische und gedruckte Elektronik ideal für medizinische Monitoring-Systeme, die wie ein Pflaster eng auf der Haut anliegen. In Zeiten der Pandemie sind solche Neuentwicklungen besonders gefragt. Auf dem Lopec Kongress, der vom 23. bis 25. März 2021 online stattfindet, präsentiert Prof. John A. Rogers von der US-amerikanischen Northwestern University die dynamische Technologie. Im Gespräch vorab erläutert er die besonderen Vorteile von gedruckter Elektronik und stellt Neuheiten aus seinem Labor vor.

Professor Rogers, woran forschen Sie aktuell?

Unser Fokus liegt auf der Entwicklung von weicher Elektronik als Schnittstelle zu biologischen Systemen, und zwar mit Blick auf Technologien, die der menschlichen Gesundheit dienen.

Worin besteht der Vorteil von organischer und gedruckter Elektronik für medizinische Anwendungen?

Wir versprechen uns davon bessere und kostengünstigere Produkte, die allen zur Verfügung stehen. Die Hauptvorteile liegen in den Formfaktoren – in der dünnen Geometrie, in dem geringen Gewicht, in der mechanischen Flexibilität und Dehnbarkeit, die eine nahtlose Verbindung mit Körpergewebe, etwa der Haut, erlauben. Aufgrund dieser Eigenschaften ist gedruckte Elektronik mit den weichen, gekrümmten und dynamischen Hautflächen des menschlichen Körpers kompatibel. In engem Kontakt mit der Haut bildet sie die ideale Schnittstelle für Diagnostika und Therapien.

John Rogers, Northwestern University
John Rogers, Northwestern University
© Privat

Die Coronapandemie ist eine besondere Herausforderung für die Gesundheitssysteme weltweit. Auf welche Weise und mit welchen Produkten kann flexible und gedruckte Elektronik hier helfen?

Als sich die Pandemie im vergangenen März in den USA auszubreiten begann, wurden wir aus medizinischen Kreisen gebeten, uns an Projekten zu beteiligen, die sich mit der Verbesserung der Gesundheit und Sicherheit von Patienten sowie dem medizinischen Personal an vorderster Front beschäftigen. Es ging dabei um Monitoring-Systeme, die direkt auf die Haut aufgebracht werden und auf die Hauptsymptome von Covid-19 reagieren, also auf Fieber, Husten und Atemnot.

Sie haben daraufhin ein Sensorsystem zur Überwachung von Covid-19-Patienten entwickelt. Wie funktioniert es?

Es handelt sich um eine Art Pflaster, das man vorne am Halsansatz aufklebt wird, und zwar an einer bestimmten Stelle, die in der Fachsprache als suprasternale Kerbe bezeichnet wird. In das Pflaster integriert sind klinisch-geeignete Temperatursensoren und Beschleunigungssensoren, die zum Beispiel feine Vibrationen erfassen. Das Pflaster registriert kontinuierlich eine Reihe der üblichen Vitalfunktionen wie Körpertemperatur, Atem- und Herzfrequenz, darüber hinaus aber auch Anzeichen der Krankheit selbst – Husten, Atemgeräusche, das Aktivitätsniveau und indirekt die Aerosolproduktionsrate.

Ist das Pflaster schon im Einsatz?

Ja, seit vergangenem März haben wir es bei über 500 Patienten und Mitarbeitern aus dem Gesundheitswesen eingesetzt, um zum einen frühe Anzeichen einer Infektion und zum anderen das Fortschreiten der Krankheit sowohl in der Klinik als auch zu Hause zu verfolgen.

Ihre Forschungsergebnisse treiben auch Innovationen außerhalb des medizinischen Sektors an. In welchen Produkten stecken Entwicklungen aus Ihrem Labor?

Unsere Technologie dient als Grundlage für viele medizinische und nicht-medizinische kommerzielle Anwendungen, die wir zusammen mit der Industrie entwickelt haben. Ein Beispiel ist der kleine tragbare UV-Sensor, den La Roche Posay aus der L’Oréal-Gruppe auf den Markt gebracht hat. Auch in einem Produkt von Gatorade steckt unsere Technologie. Das Sweat Patch ist ein Pflaster für die Schweißanalyse, das den Verlust an Elektrolyten misst. Produkte zur Überwachung der Gesundheit von den US-Unternehmen Sibel Health, Sonica, Medidata und Rhaeos basieren ebenfalls auf unserer Technologie.

Und worauf dürfen wir uns in Zukunft freuen?

Wir sehen große Chancen in den Monitoring-Systemen für klinische Anwendungen. Die nächste Generation dieser Wearables macht die Telemedizin einfacher – sowohl in den Industriestaaten als auch in den weniger entwickelten Ländern der Welt. Wir kooperieren auf diesem Gebiet mit Start-ups und mit großen Unternehmen wie Procter & Gamble oder Dräger. Bei einigen Forschungsprojekten unterstützen uns Stiftungen wie die Bill & Melinda Gates Foundation, die Michael J. Fox Foundation und Save the Children oder Industrieinitiativen wie »Merck for Mothers«.

Im Rahmen des Lopec Kongresses halten Sie einen Plenarvortrag. Worüber werden Sie sprechen?

Ich werde mich auf dünne Elektronik- und Mikrofluidiksysteme konzentrieren, die direkt auf der Haut sitzen und kontinuierlich verschiedene biophysikalische und biochemische Marker des Gesundheitszustands erfassen. Ich gehe zunächst auf einige ingenieurwissenschaftliche Grundlagen in diesem Bereich ein. Aber dann vor allem auf Anwendungen und Einsatzgebiete, wobei der Schwerpunkt auf dem Monitoring von Früh- und Neugeborenen sowie deren Müttern liegt. Ebenfalls stelle ich unsere Arbeiten in Zusammenhang mit Covid-19 vor.

Was erwarten Sie vom diesjährigen Kongress?

Ich bin gespannt, was führende Unternehmen und Forscher aus diesem dynamischen Sektor berichten. Ich möchte mich über Trends und neue technische Möglichkeiten informieren. Und natürlich freue ich mich, Anknüpfungspunkte für weitere Partnerschaften und Kooperationen zu identifizieren.

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(me)


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