Strahlentherapie

Siemens Healthineers holt zum großen Schlag aus

4. August 2020, 15:00 Uhr | Melanie Ehrhardt
Logos und Schriftzüge am neuen Hauptquartier des Medizintechnikkonzerns in Erlangen.
© Daniel Karmann/dpa

Siemens-Tochter steuert nach Milliarden-Übernahme auf den Dax zu

Aktualisiert: 4. August 2020, 15:02 Uhr

Es ist einer der ganz großen Träume in der Medizin: Krebs zu erkennen, bevor er entsteht. An entsprechenden Tests für Blut- oder Erbgutanalysen wird weltweit fieberhaft geforscht. Bisher bleiben die meisten Entwicklungen jedoch im Labor und somit müssen Patienten weiterhin auf eine vergleichsweise schonende Behandlung hoffen. Eine zentrale Rolle nimmt hierbei – neben Operation und Chemotherapie – die Strahlentherapie ein. Bei jedem zweiten Krebspatienten kommt sie im Laufe der Behandlung zum Einsatz. Der Bedarf dürfte wegen des demografischen Wandels weiter steigen. Bereits bis zum Jahr 2030 könnte die Zahl der Neuerkrankungen auf 600.000 pro Jahr steigen – allein in Deutschland. 

Laut Branchenschätzungen wächst der Strahlentherapie-Markt jährlich um etwa sechs bis zehn Prozent. Die größten Profitabler waren bisher Varian aus den USA sowie das schwedische Unternehmen Elekta. Das dürfte sich schon bald ändern. Denn die Siemens-Tochter Healthineers will Varian kaufen. Zwar muss der Deal in Höhe von 16,4 Milliarden US-Dollar noch abgesegnet werden. In Finanzkreisen rechnet man derzeit aber nicht damit, dass dabei noch etwas schief geht. Beide Produktpaletten ergänzen sich, ein größeres Kartellrisiko besteht also nicht. 

Siemens Healthineers schluckt Marktführer Varian

Für die Healthineers ist die Übernahme ein gigantischer Schritt nach vorne. Bisher hatte die Siemens-Tochter eher kleine Fische geschluckt. Im August letzten Jahres übernahmen die Erlanger für knapp 1,1 Milliarden US-Dollar Corindus, eines Spezialisten für Operationsroboter aus den USA. Nach einem Bericht des Handelsblatts galt der Kaufpreis schon damals als ambitioniert. Die Robotermedizin ist zwar ein großer Wachstumsmarkt. Doch Corindus machte zum Zeitpunkt der Übernahme gerade einmal Umsätze von elf Millionen Dollar und unterm Strich Verluste.

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Ankündigung der Übernahme durch Siemens Healthineers auf dem Varian-Twitterkanal
© Varian via Twitter

Varian ist dagegen ein gestandenes Unternehmen und gilt im Bereich der Strahlentherapiesysteme als Marktführer. Im Geschäftsjahr 2019 hat das Unternehmen mit Hauptsitz in Palo Alto (Kalifornien, USA) einen Umsatz von 3,2 Milliarden US-Dollar und beschäftigt derzeit rund 10.000 Mitarbeiter weltweit. Mit einem ganzheitlichen Ansatz zur Krebsversorgung macht sich das Unternehmen außerdem zunehmend Technologien wie Künstliche Intelligenz, maschinelles Lernen und Datenanalyse zunutze.

Ein großer Schritt nach vorne für die Siemens-Tochter

Die Siemens-Tochter bringt sich mit der Übernahme vor allem in Aufbruchsstimmung. Und die ist bitter nötig. Während der Konzern mit seinen CT- und MRT-Geräten in der Bildgebung stark vertreten ist, verlief die Markteroberung in der Diagnostik mühsam. Insbesondere die Einführung der Atellica-Plattform machte Probleme

Gelingt mit der Akquisition von Varian nun der ganz große Schritt nach vorne? Zumindest Prof. Dr. Ralf P. Thomas ist davon überzeugt: »Damit erschließt sich ein weiterer attraktiver Wachstumsmarkt, der für uns erhebliches Wertsteigerungspotenzial mit sich bringt«, so der Aufsichtsratsvorsitzender der Siemens Healthineers AG. Inhaltlich schaffe das Unternehmen damit ein noch nie dagewesenes hochintegriertes Portfolio im weltweiten Kampf gegen Krebs. 

Beginnt nun die Schlacht um Elekta?

Bernd Montag via Twitter
One Step, two leaps: Bernd Montag äußert sich auf Twitter zur Varian-Übernahme.
© Bernd Montag via Twitter

Auch Healthineers-Chef Bernd Montag zeigt sich auf Twitter sichtlich zufrieden: »Durch den Zusammenschluss unserer beiden führenden Unternehmen machen wir mit einem Schritt zwei große Sprünge nach vorn – einen Sprung im Kampf gegen Krebs und einen Sprung in unserer Bedeutung für die Gesundheitsversorgung insgesamt.« Mit der Übernahme löse man zudem das Versprechen vom Börsengang ein, »die Zukunft des Gesundheitswesens zu gestalten«. Auch zum Preis äußerte sich Montag. In einer Telefonkonferenz nannte er diesen »vernünftig«. Varian verfüge über ein stabiles Geschäft und eine hohe Innovationskraft.

Der deutsche Medizintechnik-Konzern strebt operative Synergien von mindestens 300 Millionen Euro im Geschäftsjahr 2025 an. Dabei könnte auch Altbewährtes helfen. Die Erlanger könnten ihre bildgebenden Systeme enger mit den Geräten von Varian verknüpfen, vor allem im Bereich der Software. Daten zur genauen Lage des Tumors sowie seinen Abflussgebieten könnten so direkt in die Bestrahlungssoftware übertragen werden. Ein Vorteil für den Patienten, aber auch ein sehr gutes Verkaufsargument gegenüber Krankenhäusern. Andere Medizintechnikfirmen hätten hier das Nachsehen, vor allem die Hauptkonkurrenten Philips und GE Healthcare. In der Branche wird nach Informationen des Spiegels bereits spekuliert, dass dann die Schlacht um die schwedische Firma Elekta losgehen wird. Der Preis dürfte ähnlich hoch ausfallen. 

Fazit & Ausblick

Die angekündigte Übernahme gleicht einem Paukenschlag. Warum Varian überhaupt zum Verkauf stand, ist bisher unklar. Für Siemens Healthineers überwiegen ganz klar die Vorteile – nicht nur aus technologischer Sicht. Die milliardenschwere Investition könnte auch dabei helfen, vom mDax in den Dax aufzusteigen. Sowohl Mutter- als auch Tochterkonzern wären dann in der ersten Börsenliga vertreten. 

Quellen

Handelsblatt-Artikel: https://amp2.handelsblatt.com/unternehmen/industrie/uebernahme-milliardenuebernahme-siemens-kauft-krebstherapie-spezialisten-varian/26058526.html

SPON-Beitrag: https://www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/siemens-uebernahme-von-varian-die-gewagte-milliarden-wette-a-b6ff2ad6-e4f0-4bf3-8232-9e05cc82ef99


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