Beatmungsgeräte

In 3 Monaten zum fertigen Produkt

25. Februar 2021, 14:30 Uhr | Ramie Smith (Plexus)
Beatmungsgerät Plexus Zephyr
© Plexus

Hersteller, EMS-Dienstleister und Zulieferer gemeinsam im Kampf gegen Corona

Als im Frühjahr 2020 die Zahl der auf der Intensivstation behandelten Covid-19 Patienten erstmals einen Höchststand erreichte, suchte das Gesundheitswesen gemeinsam mit MedTech-Herstellern fieberhaft nach Wegen, die Patientenversorgung sicherzustellen. Eine der wichtigsten Aufgaben: Wie können in kürzester Zeit genügend Beatmungsgeräte bereitgestellt werden?

In Großbritannien rief die Regierung zur »Ventilator Challenge UK« auf. In kürzester Zeit wurde ein Konsortium aus Industrie-, Technologie- und Maschinenbauunternehmen ins Leben gerufen, um im Schnellverfahren neue Beatmungsgeräte zu fertigen und dem NHS (National Health Service) bereit zu stellen.

Mit dabei auch der EMS-Dienstleister Plexus. Von Ende März an arbeitete das Team im Livingston Design Center an der Entwicklung und Fertigung eines völlig neuen Beatmungsgeräts für den Einsatz in Intensivstationen. Das Ziel: Das Lebenserhaltungssystem sollte in weniger als drei Monaten in die Fertigung überführt werden und dabei den hohen regulatorischen Anforderungen für medizinische Geräte entsprechen. 

Design und Entwicklung in Höchstgeschwindigkeit

Nach Erhalt der Produktspezifikationen stürzte sich Plexus in den Designprozess. Neben dem Kernteam aus Ingenieuren in Großbritannien, arbeiteten auch Experten aus dem Plexus Design Center in Darmstadt sowie drei weiteren globalen Plexus-Standorten am Elektronikdesign. So war sichergestellt, dass das Projekt rund um die Uhr weiterlief. 

Dabei stand das Team im engen Kontakt mit der Babcock International Group in Großbritannien sowie einem bekannten Medizingerätehersteller in Deutschland, um die Entwicklung der in den Beatmungsgeräten integrierte Elektronik voranzutreiben. Die enge Zusammenarbeit über Unternehmens- und Ländergrenzen hinweg sowie die langjährige Erfahrung der Beteiligten in der Entwicklung von medizinischen Geräten stellten sich in der Covid-19-Krise als klarer Vorteil heraus.

Lieferkette im Produktdesign mitdenken

Schon früh in der Entwicklungsphase kristallisierte sich die größte Herausforderung des Projekts heraus: Die für die Beatmungsgeräte nötigen Komponenten waren kaum aufzutreiben. Der weltweite Lockdown, der Produktionsstillstand in vielen Fabriken und die explodierende Nachfrage nach medizinischen Komponenten hatte große Lücken in die Supply Chain geschlagen. Lieferengpässe waren unausweichlich. Aus diesem Grund wurde das Supply Chain-Team bereits früh eingebunden, um die wichtige Aufgabe der Materialbeschaffung anzugehen. Um die Materialversorgung schließlich sicherzustellen, setzte die Sourcing-Strategie auf Lokalisierung und holte vor allem Zulieferer und Hersteller vor Ort ins Boot.

Der hohe Lokalisierungsgrad beim Sourcing bedeutete jedoch auch, dass die lokal verfügbaren Komponenten aus Entwicklersicht nicht immer alle Anforderungen voll und ganz erfüllten. Teilweise war deshalb ein Redesign des Produkts nötig, um sicherzustellen, dass das Ausweichen auf alternative Teile den engen Zeitplan des Projekts nicht gefährdete.

Dieses Ineinandergreifen von Produktdesign und Supply Chain ist angesichts volatiler Märkte und zunehmender Unsicherheiten heute wichtiger denn je und wird vor dem Hintergrund der fortwährenden Corona-Pandemie weiter in den Fokus von Herstellern rücken. Mit dem Konzept »Design for Supply Chain« werden die Kosten der ausgewählten Komponenten und Materialien, die Herstellbarkeit, sowie die Kapazität und Skalierbarkeit der Lieferkette bereits in der Konzeption eines Produkts berücksichtigt. Ziel ist es, eine lückenlose Supply Chain und fristgerechte Auslieferung an die Kunden sicherzustellen.

Rapid Prototyping: In 38 Tagen zur Zertifizierung 

Die Strategie ging auf. Die Materialversorgung konnte sowohl für den ersten Prototypen als auch für die spätere Serienfertigung gesichert werden. Schon nach kurzer Zeit stellte das Rapid-Prototyping-Team in Livingston den ersten Prototypen des Beatmungsgerätes fertig. Zwei Prototypen und drei Designanpassungen später reichte das Team schließlich insgesamt 20 Geräte an die britische Aufsichtsbehörde MHRA (Medicines and Healthcare products Regulatory Agency) zur Erstgenehmigung ein. Und das alles nur 38 Tage nach Erhalt der ersten Produktspezifikationen.

In der Zwischenzeit ging es bei Plexus weiter mit den Vorbereitungen rund um die Serienfertigung der Geräte. Das für die Überführung verantwortliche Transition-Team des EMS-Anbieters in Kelso (Schottland) war bereits früh in der Entwicklungsphase am Projekt involviert und konnte so unmittelbar Builds für die neue Produkteinführungen (NPI) entwickeln. Das Produktdesign war damit verifiziert, der Fertigungsprozess validiert und die geeigneten Testverfahren festgelegt.

Anmerkung: Anfang Juni schließlich meldete die britische Regierung, dass aufgrund der sinkenden Zahl an beatmungspflichtigen Covid-19-Patienten die Serienfertigung nicht mehr erforderlich war. Ein Erfolg war dieses Projekt trotzdem: Dank der Zusammenarbeit von Herstellern, EMS-Dienstleistern und Zulieferern entstand aus einem Produktdesign in nur 38 Tagen ein Prototyp, der 22 Tage später in die Serienproduktion übergehen hätte können. 


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